31
Jul
2017

Noten lesen lernen und Notenlehre Teil 7

Grundbegriffe Melodielehre

Jedes Lied hat eine Melodie, doch diese ist meistens nicht willkürlich gewählt, sondern nach den Grundsätzen der Melodielehre und der Melodik komponiert. Die Grundbegriffe und Funktionen werden im Folgenden behandelt.

Melodik

Die Melodik ist „die Lehre von der Bildung und vom Bau einer Melodie“ (Enders et. al., 2000: 227), welche innerhalb des 19. Jahrhunderts oftmals mit der Melodielehre gleichgesetzt wurde. Sie ist „die Lehre von den Bildungsgesetzen einer Melodie.“ (ebd.) Eine Melodie, zu Griechisch melōdía, welches mit mélos als Lied oder mit ōdē als Gesang übersetzt werden kann, wird durch verschiedene Faktoren bestimmt:

„Melodie[n werden] […] zunächst bestimmt durch die Tonhöhenorganisation (Diastematik) und erst dann durch die Dauer (und die Betonung) der einzelnen Töne (Rhythmus) sowie die Gliederung (Periodik), das Zeitmaß (Tempo) und durch die Art der Ausführung (Tongebung, Klangfarbe, Dynamik).“ (Enders et. al., 2000: 226)

Melodien weisen häufig wiederkehrende Teile auf. Diese können als Motiv oder Thema bezeichnet werden, der Aufbau und die Funktion derer werden im weiteren Verlauf noch erläutert.

Vokal- und Instrumentalmelodik

Die Vokalmelodik beschäftigt sich mit der Interpretation von Texten und deren Ausdeutung auf musikalischer Basis. Psalmodieren stellt hierbei die einfachste Form dar. Bei dem Psalmodieren handelt es sich um einen gehobenen Sprechgesang, der durch „das Rezitieren auf einem Ton“ (Grabner, 1982: 161) erfolgt. Eine weiter ausgebaute Form ist die lateinische Psalmodie und Hymnologie, wo sich die Melodie dem Rhythmus der Worte anpasst. Die reichhaltigste Form stellen die Melismen dar. Melismen sind kleine, eigenständige Melodien, die auf jeweils eine Wortsilbe gesungen werden. So entstehen kunstvolle Ausschmückungen und Verzierungen innerhalb einer Gesamtmelodie.

Die Instrumentalmelodie zeichnet sich, verglichen mit der Vokalmelodie „durch [einen] größeren Umfang, [eine] größere Beweglichkeit und beschwingtere Rhythmik aus.“ (Grabner, 1982: 163) Instrumentalmelodien lassen sich in drei Formen aufspalten. Die erste Form ist der Rezitationston, also eine Melodie, welche die meiste Zeit über aus einem Ton besteht und sich mehr an Rhythmik orientiert. Bei der zweiten Form ist eine leichte Kurvenbewegung innerhalb der Tonhöhe zu erkennen. In der dritten Form ist die Melodie sehr bewegt und es können Themen und Motive erkannt werden.

Homophonie und Polyphonie

Homophonie wird von dem griechischen Wort homophōnía abgeleitet, welches übersetzt Gleichklang bedeutet. Homophone Musik ist entweder unbegleitete Musik oder eine Begleitstimme zu einer eigenständigen Melodie oftmals in Akkordform. Sie kann als einstimmiger Gesang oder als unisono komponierte Instrumentalmusik auftreten. Die am häufigsten auftretende Funktion ist die Begleitstimme.

Polyphonie wird von dem griechischen Wort polyphōnía abgeleitet, welches übersetzt Vielstimmigkeit bedeutet. Sie ist also das komplette Gegenteil der Homophonie. Bei einer polyphonen Komposition hat jede Stimme ihren eigenen Wert und kann sich gleichberechtigt entwickeln. Jede Stimme kann hierbei auch für sich stehen, da sie jeweils einen Selbstständigen und linearen Verlauf in sich vereint.

Homophonie und Polyphonie müssen nicht unbedingt als ‚entweder-oder‘ gesehen werden, sie können auch miteinander kombiniert auftreten. So gibt es Kompositionen in denen mehrere führende Melodiestimmen vorhanden sind, dann jedoch auch Stimmen die nur zur Begleitung gedacht sind. Die Melodiestimmen sind dann in diesem Falle polyphon, während die Begleitstimmen homophon sind.

„Die Musik des 20. Jh. ist z. T. betont polyphon orientiert […], insgesamt verliert der traditionelle Gegensatz zwischen Polyphonie und Homophonie in der Neuen Musik nach 1950 allerdings an Bedeutung zugunsten einer Durchdringung beider Setzweisen.“ (Enders et. al., 2000: 310)

Skalenmelodik

Jedes Musikstück, unabhängig davon ob es ein Gesangs-, Instrumentalstück oder eine Kombination dessen ist, hat eine bestimmte Grundstimmung. Diese Grundstimmung ist auf die Skalen zurückzuführen. Jeder musikalischen Komposition kann eine Skala (Moll, Dur, Chromatik, Pentatonik etc.) zugeordnet werden. Jedoch muss sich der Verlauf der Melodie nicht auf den Tonumfang einer Skala beschränken, es gibt teilweise auch Kompositionen in denen ein Stimmungswechsel durch einen Skalenwechsel hervorgerufen wird.

Periodisierte Melodik vs. Energetische Melodik

periodisiert energetisch
Dreiklangsmelodik Skalenmelodik
Regelmäßige Wiederkehr der Schwerpunkte Zurücktreten der Schwerpunktwirkungen
Gruppenbildung Einheitlicher Bewegungszug
Symmetrie Asymmetrie
Kadenzprinzip Latente Harmonik

Gemeinsamkeiten zwischen beiden Arten bestehen in der Spitzen- und Tiefenmelodik, sowie in der Struktur, bedingt durch Motive und Themen. Die Spitzen- und Tiefenmelodik behandelt das Hervorheben der Randpunkte, also von den, für das vorliegende Stück, sehr hohen und sehr tiefen Tönen.

Motive und Themen

Motiv wird von dem lateinischen Wort movere abgleitet, welches übersetzt bewegen bedeutet. Das Motiv ist das „kleinste selbstständige Glied“ (Enders et. al., 2000: 242) innerhalb einer Komposition und kann ein Teil von einem Thema oder einer Melodie sein. Motive müssen bei einer Wiederholung nicht immer gänzlich identisch sein, sie können auch durch eine Veränderung der Tonhöhe, der Rhythmik oder einer Kombination beider variieren. Eine Sonderform des Motives ist das Leitmotiv. Das Leitmotiv ist ein charakteristisches Tongebilde, welches repetitiv einen bestimmten Sinngehalt in einer Komposition wiedergibt. Der Sinngehalt kann mit einer Person, einem Gegenstand, einer Idee, einem Gefühl oder ähnlichem assoziiert werden. Leitmotive treten in Assoziation mit Personen beziehungsweise Figuren vor allem in der Oper auf, wo sie „dichte Gewebe prägnanter melodischer, rhythmischer oder harmonischer Grundgestalten“ (Enders et. al., 2000: 209) verkörpern.

„[Das] Thema ist ein in sich geschlossener musikalischer Gedanke in prägnanter charakteristischer Ausdrucksgestaltung, das erste formal abgerundete Ergebnis des motivischen Impulses.“ (Grabner, 1982: 165)

Es ist ein tragender Formteil in einer Komposition, welcher durch „Wiederkehr, Bearbeitung und Verarbeitung“ (Enders et. al., 2000: 409) erst eine Melodie und dann ein ganzes Stück formt. Themen können verschiedene Gestalten und Funktionen annehmen, welche jeweils vom Stück abhängen. Allgemein können drei verschiedene Ausprägungen innerhalb der Themen erkannt werden. Zunächst gibt es das Thema welches von Einzelstimmen vorgetragen wird. Außerdem tritt die sogenannte Variation in Ostinato- und Lied-Themen auf. Zuletzt gibt es noch die klassisch-romantische Sonatensatzform, in der ein Thema nicht klar begrenzt ist und sich oftmals aus mehreren Motiven zusammensetzt. (vgl. Enders et. al., 2000: 409f.)


Dies ist der siebte Artikel einer Artikelreihe, die dabei helfen soll mit Musiknoten einfacher klarzukommen und evtl. auch Leute dazu animieren soll sich als etwaiger Musiker das Notenlesen selbst beizubringen. Die Artikelreihe stützt sich auf eigene Erfahrungen und auf das Buch „allgemeine Musiklehre“ von Hermann Grabner in der 14. Auflage, alle weiteren Quellen sind entsprechend verzeichnet. Im nächsten Artikel werden die Grundformen in der Formenlehre behandelt.


Quellen

Enders, Bernd; Frey, Jürgen; Nickles, Ralph; Welke, Thomas (2000): Schülerduden Musik, 3. völlig neu überarbeitete Aufl., Mannheim, Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG

Grabner, Hermann (1982): Allgemeine Musiklehre, 14. Aufl., Kassel: Bärenreiter